Hofarchiv: Dokumente

Kriegsende - Wie erlebten wir das Jahr des Unheils 1945 ?

Bericht von Bäuerin Agnes Brinkmann, aufgeschrieben von Prof. Dr. Matthias Brinkmann

Anfang des Jahres
Jeden Tag fuhren Munitionswagen auf der Glandorfer Straße. Im Monat vorher sah man nur Autos. Am Bahnhof Iburg wurde Munition ausgeladen und meist nachts auf den "Witten Brink" gefahren, alles stillschweigend, keiner darf etwas sagen. Wir hören von Kämpfen bei Aachen. Das war der erste Schrecken. "Dod jau, wo bliew wi armen Lüe, wenn se hier kumet."

Palmsonntag
11 Uhr fürchterliches Bombardement auf Osnabrück. Wir sehen Flieger kreisen, Rauchwolken über den Berg steigen. Es war ziemlich still, da keine Sprengbomben fielen. Wir haben schnell gegessen, waren um 10 Uhr mit allem fertig.

Woche vor Ostern
Leute mit Gepäck, Wagen, Autos auf der Straße. Kinder mit Betten und Gepäck von Aachen auf der Straße. Gefangenentransporte schleppen über die Straße dahin. Dr. Schlief vom Osnabrücker Marienhospital sagte: "Iburg ist Larzarett". Man wollte die Munition sprengen. Es war nicht zu ändern. Ortsgruppenleiter Körner: "Iburg wird bis zum letzten Mann verteidigt." Jeden Tag auf dem Hofe Soldaten, Geschütze wurden ins Feld geschafft. Volkssturm schaufelte und hackte Einmannlöcher. Spinde aus der Flackstellung (Kreuzbrink) in unsere Scheune gebracht. Hinterm Kronesch wurden Panzersperren errichtet, Holzstämme aufgerichtet, sollten auf die Straße geworfen werden. Zwei Soldaten kamen auf Rädern: Tommy ist vor Münster.

Gründonnerstag
Nachts 4 Uhr geweckt. Hauptmann und Oberstleutnant mit Brennstoff auf zwei Wagen schliefen bei uns auf dem Sofa. Der Oberstleutnant mit Frau und Kind (11 Jahre) hatte den Zug angehalten und um Mitnahme gebeten.Er war auf Urlaub.

Karfreitag
Der Hauptmann mußte mit dem Lastwagen fort, er könne den Oberstleutnant nicht weiter mitnehmen. Oberstleutnant: Was soll man machen, können wir hier bleiben ? Er kam dann mit einem letzten Wagen bis Borgloh. Soldaten kamen, machten aus der besten Stube eine Schreibstube. Das Kommando war hier, Soldaten, wir und andere.

1. Ostertag
Früh in die Kirche, rechneten mit dem Herrgott ab.Pax packte nachmittags Porzellan ein. Es wimmelt von Soldaten, überall Einmannlöcher.

2. Ostertag
Mittag gegessen. Geschirr auf dem Tische stehenlassen, sind weggegangen. Unser Pole Pietryk spannte die Pferde an, mit eingepackten Kisten auf zum Wagen. Fohlen und ein einanhalbjähriges Pferd blieben zurück, Schröders kamen. Anna fragt: "Wie maket wie datt ?" Josef (Bauer) sagt: "Wi bliewt hier, sau Gott will." Tante Agnes: "Unmöglich." Sie fragte den Hauptmann. Der sagt: "Männer hier bleiben." Tante Agnes: "Ick go no'n Tempel." Schwager Heinrich brachte seine Frau in den Tempel. Inzwischen gingen wir weg, Klärchen (Adoptivtochter) und ich weinend durch den Busch, wollten in den Bunker. Wir alten Trampels hatten an nichts gedacht, kein Bett, kein Fahrrad. Über das Land kam der Pole auf dem Toppweg zurück. Wir auch zum Hof zurück, holten zwei Fahrräder und Betten im Sack und Kartoffeln aus dem Keller. Im Hause war alles aufgerissen. Soldatenerlebnis. Ganzer Tisch voller Karten, Soldaten standen in der Küche. Soldaten melden: 400 m hinter Glandorf stehen die Engländer. 7.u.8. Kompanie mit Panzerfaust entgegengesandt. Befehl: Fahrräder an der Straße sind zu benutzen. Josef fragte den Hauptmann. Der sagt: "Habe den Befehl zu verteidigen, wenn der Feind hier durchkommt." Die Straße wird Kampfgebiet.
Ich rate eine halbe Stunde weit wegzugehen. Wir wollten in die Heide, in die Voßwisb, Pferd bei Stricker in die Scheune. "Do ligg de Brinkmerigge." Wir blieben bei Kleinheider im Bunker. Auf dem Hofe gaben die Soldaten den Befehl, Pferde loszubinden und mitzunehmen. Heinrich kam noch vor Josef auf den Hof zurück, das Rad war weg. Der Tisch voller Karten. Meldegänger mit Rädern ein und aus. Nachmittags bei Kleinheider, Heinrich und Josef waren zeitweilig auf dem Hofe. Unsere Panzer fuhren bei Scheventorf auf, drehten die Rohre nach Iburg und gaben drei Schuß. Schaiper, Heinrich hatte die weiße Fahne gehißt, er wurde von Scheventorf aus beschossen und erhielt einen Streifschuß an der Hand. Panzer drehten wieder nach Glandorf um. Hören Kanonenschüsse, sehen den Rauch von Jostes und Flapes Brand in Glandorf.(Laer hatte sich am 2. Ostertag bei Schmiede angemeldet , sofort zurück (?)). Abends gingen wir auf den Hof zurück, Kühe in die Voßweide gebracht, mit Hilfe Heinrichs, Schaf nach Waltermann. 11 Uhr auf Kissen bei Kleinheider auf dem Fußboden geschlafen, wir beiden Agnes und Klärchen, Job war in Sentrup, Kleinheiders Oma auch fort. Heinrich und Josef nachts auf dem Hofe, 2 Pullen Wein getrunken.

3. Ostertag
Alles in Ordnung. Volkssturm von Münster kommt, erstaunt daß nichts vom Feind hier. Nehmen die Karte: Wir sitzen drin, Tommy ist schon längst vorbei, über Laer marschiert. Wir bewirten zitternde Jungs. Bei Waltermanns und Brinkmanns bleiben Soldaten. Gefangene Franzosen kommen durch, Bund deutscher Mädchen kommen durch, Eltern suchen ihre Töchter.

4. Tag nach Ostern
Mittwochs kamen die ersten Engländer in kleinen Panzerspähwagen, Onkel Heinrich: Seht sie nicht an, zu dumm. Kanonen standen am Hagen, eine bei Friedrich Waltermann, rundherum geschützt.

Wochen nach Ostern
Einige Tage nachher Haussuchung. Der Pole sagt: "Bauer kein Nazi, ist gut." Englische Soldaten stahlen Handarbeiten aus Schränken, alles durchwühlt. Französische Gefangene hielten 14 Tage später im Hause zwischen Pistolen Gottesdienst ab. Zurückgeführte französische Gefangene kamen zurück, nahmen ein Pferd mit, bei Koken waren am 2. Ostertag Pferde zum Munitionsfahren mitgenommen worden, sie holten sie später aus Bissendorf zurück. Polen räubern, Engländer kümmern sich nicht darum. Nachher Russenschrecken. Otte nachts als Wache von Russen erschossen. Plünderungen am laufenden Band bei Behrenswerth.